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UNP-Sieg

Sri Lanka: Rückkehr in die Weltordnung?

Die linksorientierte Volksallianz  (PA) auf Sri Lanka hat die Parlamentswahlen am 05.12.2001 verloren. Mit künftig nur noch 77 Abgeordneten im Parlament dürfte ihr die Rolle der Opposition gebühren. Die bislang oppositionelle Vereinigte Nationalpartei (UNP) verpaßte eine absolute Mehrheit nur knapp und erreichte 109 Mandate. Den Rest des Hauses füllen mit 16 Sitzen die linke JVP,  die tamilischen Parteien TULF (15) und EPDP (2) sowie ein Direktmandat der DPLF aus dem nördlichen Vanni und schließlich der muslimische SLMC (5)

Noch am Tag vor der Wahl eröffnete die regierungsnahe Daily News mit einer Rede der direktgewählten Präsidentin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga, kurz CBK. Im Aufmacher verlangte sie, die UNP solle drei ihrer wichtigsten KandidatInnen zurückziehen.  Sie seien verstrickt in Mord und Terror, hätten sich während ihrer Regierungszeit von 1977-1994 hemmungslos auf Kosten des Landes und der arbeitenden Bevölkerung bereichert.

Jetzt würden sie - und gemeint war die ganze UNP - für die Eroberung der Macht eine Teilung des Inselstaates in Kauf nehmen.

Zu diesem Zeitpunkt galt der Wahlausgang noch als offen. Die regierende Mitte-Links Koalition von der PA mußte um ihr Überleben gegen eine siegesgewisse UNP kämpfen. Die Regierungsbilanz war durch den andauernden Krieg und die, nur bedingt selbstverschuldete, angespannte wirtschaftliche und soziale Situation getrübt. Dem nach der Verfassungskrise im Sommer zunehmend globalisierungskritischen Konzepten der PA begegnet die wirtschafts- und sozialpolitisch ‘liberale‘ UNP mit der vermeintlich besseren wirtschaftlichen Kompetenz. Ein Fixpunkt dabei die Haltung zur Weltbank, real wie symbolisch.

Diesbezüglich funktioniert ein klassisches links-rechts-Schema der Politik. Als im Sommer die PA mehrere ihrer muslimischen Parlamentarier vom Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) verlor, band sie sich mit einem Duldungsvertrag an die insgesamt links von ihr stehende Volksbefreiungsfront JVP. Diese hatte sich als gegenüber den beiden großen Parteien zwar kleinere, aber doch dritte parlamentarische Kraft etabliert. Rechtzeitig zum Ende dieser Wahlen hatten sie jetzt ihre Heimkehr in den demokratischen ‚Mainstream‘ erklärt und dies von ihrem gegenwärtigen und nach der Wahl möglichen Bündispartner, der Volksallianz bestätigt bekommen.

Nach zwei Massenaufständen in 1971 und 1987 war die JVP das Schmuddelkind der Politik gewesen. Lange Zeit war sie verboten und viele ihrer Mitglieder und Sympathisanten waren ins Ausland geflohen. Denn die Auseinandersetzung zwischen ihr und der damaligen UNP-Regierung (1987-´89/90) verlief äußerst blutig. Rund 60.000 Menschen starben. Insbesondere im Süden der Insel unter der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit fand der Konflikt seine Opfer. Vor allem Linke, jeglicher Parteien.

Den Aufständischen standen damals reguläre Einheiten des Staates und Todesschwadrone gegenüber. Der Konflikt wurde beiderseits mit äußerster Härte geführt. Aus dieser Zeit und der danach berüchtigt ist das Folterzentrum von Batalanda.

Heute sind dies gute Gründe, mit denen die Präsidentin als Flaggschiff für die Verteidigung der Demokratie werben kann und weshalb sie sich darauf verlassen kann, daß die JVP die Rückkehr der UNP nicht willentlich befördern würde. Die JVP ihrerseits konnte ihrer potentiellen Klientel wenigstens kurzzeitig Erfolge im politischen Koordinatensystem vorweisen, u.a. die Absage an Privatisierungen in Schlüsselbereichen. Sie galt als einzig sichere Gewinnerin der Wahl. Prognosen versprachen ihr eine Steigerung von 10 auf 15 der 225 Mandate im Parlament.

Eine andere Achse im politischen Koordinatensystem ist die des Nationalismus.  Diese entzweit häufig stärker als die sozio-ökonomische Programmatik.  In gewisser Weise gibt es jede politische Partei wenigstens zwei Mal. Als singhalesische Partei und als tamilische Partei. Letztere zuweilen noch weiter unterteilt in die sogenannten Hochlandtamilen (bzw. Indian Tamils, wie sie aufgrund ihrer Herkunft von südindischen Kontraktarbeitern genannt werden) und Ceylon-Tamilen, wie die größere Gruppe der tamilischen Bevölkerungsminderheit von insgesamt 18 %, genannt wird. Gleichwohl stellen diese in ihren Siedlungsschwerpunkten meist die Mehrheit der lokalen Bevölkerung.

Hinzu kommt eine weitere Bevölkerungsgruppe, die der überwiegend muslimischen Moors (7%), die ebenfalls über ein eigenes Parteienspektrum, sowie Siedlungsschwerpunkte verfügt. Als dominante Größe steht ihnen und noch weiteren ethnisch definierten Minderheiten wie den  Burgher, Malaien und Vedda (zusammen ca. 1%), jedoch regelmäßig eine 74 %ige singhalesische Bevölkerungsmehrheit entgegen, zumindest fallen in dieser die bedeutenden Entscheidungen.

Dies zwingt innerhalb des vorherrschenden parlamentarischen Systems zu Verrenkungen. Das herrschende Wahlsystem garantiert ihnen zwar Vertretung, da 196 der Mandate direkt in Distrikten vergeben werden und sie hiervon im Norden und Osten der Insel die größere Zahl erringen können, jedoch dann nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen, eigenständig in einem ‚tamilischen Interesse‘ zu agieren bzw. das staatliche Geschehen irgendwie zu beeinflussen. Hinzu kommt noch ein überparteiliches Phänomen. Die mit Mitteln und Privilegien versehenen Direktabgeordneten haben immer einen Kreis von Unterstützern‚ sogenannte Supporter‘. Vielfach wendet sich dies in der Umleitung von Mitteln durch den örtlichen Verteiler, den Abgeordneten, zurück in den Wahlkreis. Weshalb diesem bei einem Parteiwechsel, was nicht ungewöhnlich ist, oft die Mehrzahl der Anhänger folgt.

Bislang hatten sich die oben bezeichneten Parallel-Parteien entlang der beiden Hauptparteien aus- bzw. eingerichtet, mit der einen oder anderen bzw. wechselnd, kooperiert.

Zu diesem Wahlgang war alles anders. Zwar traten allein 26 Parteien und 120 unabhängige Listen an, aber nur 4 + 3x1/2 Parteien waren für den Ausgang relevant. Dies sind zuvorderst die PA und die UNP, die JVP und dann insbesondere der unter dem Dach der Tamilischen Vereinigten Befreiungsfront (TULF) kandidierende Tamil Alliance. Letztere ist ein Bündnis mehrerer bedeutender tamilischer Parteien. Die Begründung ihrer gemeinsamen Kandidatur über politische Grenzen hinweg, liegt in der von ihnen vorrangig gestellten Autonomie- oder besser Unabhängigkeitsfrage.

Im Gegensatz zur Tamil Alliance steht eine andere tamilische Partei, die EPDP, die sich mit einer Koalitionsaussage an die PA gebunden hat und deren Wahlergebnis zu beobachten ist.

Möglich wurde diese Blockbildung durch den Ausgang der Verfassungskrise im Sommer.  Mit dem Austritt des Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) aus der Regierung hatte die PA ihre parlamentarische Mehrheit verloren. Einen laufenden Mißtrauensantrag unterdrückte die Präsidentin jedoch mit der Aussetzung des Parlaments und der Verschiebung des Votums. Statt dessen kündigte sie eine Volksabstimmung über die Einführung einer neuen Verfassung an. Aber die blieb dann doch aus.

In der Folgezeit kam es zu Gesprächen zunächst mit der UNP und dann auch mit der JVP.

Wenngleich dies beides in gewisser Weise singhalesische Lösungen waren, kam das Ergebnis einer kleinen Revolution nahe. Die 10 Parlamentarier der JVP erklärten hinfort nichts mehr zu tun, wodurch die Regierung stürzen würde, wenn diese sich zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichte. Ein Großteil davon aus dem Wahlprogramm der PA von 1994, wie die erinnernde JVP kommentierte.

Dies trieb schließlich aus bürgerlicher Sicht gemäßigte Politiker aus der PA in die UNP, die Volksallianz verlor kurz vor der verschobenen Vertrauensanstimmung ihre parlamentarische Mehrheit und die jetzt erfolgten Neuwahlen wurden nötig, führte aber in der Frage des Krieges zu einer Stärkung der Kräfte, die Autonomie oder gar Teilung mit Skepsis und Ablehnung betrachten, ihre Position von der Unteilbarkeit der Insel z.T. sehr unterschiedlich begründend.

Während die einen betonen, so etwas wie Vaterland gäbe es nicht, (beharren die es begehren zuweilen doch hartnäckig darauf, wenigstens von ihrer eigenen Oberschicht beherrscht zu werden oder dies für sich selbst heraus zu finden) bestehenden andere auf der heiligen Gewißheit von Sri Lanka als dem Land der Singhalesen und als Schutzstätte und Heimat des Buddhismus.  Letzterer ist sehr einflußreich.

Womit eine Partei ins Spiel kommt, die als parlamentarische Kraft weniger vertreten ist, als sie politischen Einfluß nimmt. Die Sihala Urumaya (SU). Die Partei der rechten singhalesischen Nationalisten.

Die UNP hatte der Tamil Alliance Angebote gemacht, die singhalesische Nationalisten aufschrecken lassen mußte. Sie stellte eine autonome Nord-Ostprovinz in Aussicht sowie die Aufhebung des Terrorismusbanns über die LTTE und von Embargos in die Kriegsgebiete.

Dies könnte jetzt zu ihrer ersten Bewährungsprobe werden. Sie benötigt dringend einen Bündnispartner, um eine Regierung bilden zu können. In Frage kommen hierfür nur die tamilische TULF oder der SLMC. Letzterer hatte plötzlich wieder an Bedeutung gewonnen. Der erhebliche Wahlsieg der UNP, die PA konnte nur einen einzigen Wahlkreis für sich entscheiden, machte sie wieder zu einem denkbaren Koalitionspartner. In diesem Fall wäre der zukünftige Premierminister Ranil Wickremesinghe nicht gezwungen sein Versprechen an die tamilischen WählerInnen einzuhalten. Wird er es doch tun, dann könnte es sein, daß schon bald erneute Neuwahlen anstehen. Ob es etwas an der Kriegssituation ändern wird muß allerdings bezweifelt werden. Einen ersten Test auf ihre Politik wird die neue Regierung diesbezüglich bestehen müssen, wenn die regelmäßige Verlängerung der Kriegsrechte im Parlament ansteht.

Auch ist die TULF diesbezüglich ein gebranntes Kind. Sie verfügte schon einmal über 15 Abgeordnete. Als im sogenannten schwarzen Juli von 1983 die blutigen Pogrome gegen Tamilen stattfanden, war sie damit die Opposition im von der UNP beherrschten Parlament.  Unter deren Präsidenten J.R. Jayawardene (1978-88) und seinem Nachfolger Ranasinghe Premadasa (1988-93) eskalierte der Konflikt zum endlosen Krieg.

Bis zum Schluß offen war deshalb auch, ob nicht auch die letzte wichtige Partei, die gar nicht zur Wahl stehende LTTE nicht doch noch versuchen würde, eigenständig einen intensiveren Wahlbeitrag zu leisten.

Für Ruhe und Ordnung am Wahltag sollten rund 40.000 Polizisten sorgen. Wahlkampf im Tropenparadies ist manchmal nicht ungefährlich. Bis zum Vortag waren 1731 im Zusammenhang mit dem Wahlkampf stehende Übergriffe, bis hin zu Mordattacken, gemeldet worden. Am Wahltag selbst starben 14. Menschen.

Als die Ergebnisse eine Tendenz ergaben, riefen sowohl die Präsidentin als auch Noch-Oppositionsführer Wickremesinghe zu Ruhe und Ordnung auf, die üblichen Wahlnachbeben sollten unterbleiben.

Der Ruf nach Ruhe und Ordnung könnte demnächst vor allem den Gewerkschaften gelten. Ihnen dürfte jetzt ein anderer Wind ins Gesicht blasen. Allerdings sind sie jetzt auch etwas entfesselter als unter der ‚eigenen Regierung‘.  Doch schon jetzt ist absehbar, daß die forciert zu erwartende Neuöffnung für den Weltmarkt zu erbitterten Kämpfen führen wird.

Hamburg, 07.12.2001

 

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