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Michael Ondaatje wählte Bandarawela.

Bandarawela ist eine in 1224m Höhe gelegene Stadt, als Ferienort und Verkehrsknotenpunkt beschrieben. An diesem Ort ließ der Autor, bekanntgeworden durch „Der englische Patient“, die Heldin seines neuen Romans, „Anils Geist“, eine grausige Entdeckung machen.

An diesem vermutlich ältesten Fundort menschlicher Zivilisation auf dem indischen Subkontinent stößt sie auf ein Opfer politischen Mordes aus den Jahren 88/89, der grausamsten Periode Sri Lankas in diesem Jahrhundert.

Weil der Ort ein vom Militär kontrollierter Sperrbezirk war, schloß Gerichtsmedizinerin Anil daraus auf einen Mord von Seiten der Regierung.

Der aus Sri Lanka stammende und im westlichen Ausland lebende Ondaatje – die holländische Kolonialherrschaft hat gerade bei den Namen, ähnlich wie die portugiesische und britische, ihre Spuren hinterlassen – führt ein in diese Zeit.

Er ergreift nicht Partei für eine der kämpfenden Seiten. Er versucht auch nicht, die Ursachen für den Krieg zu ergründen. Er schildert ihn nur – ein wenig.

Bandarawela wurde dadurch ein literarischer Stellvertreter, mit Bekanntheit im Westen.
Stellvertretend für ansonsten ebenso unbekannte Orte auf dieser paradiesischen Dämoneninsel.
Passend zum Buch trat am 25. Oktober 2000 ein reales Ereignis neben die Fiktion des Realen.

Rund 1000 mit Messern und Hacken bewaffneten Menschen töteten bei Bandarawela 25 tamilische Jugendliche und verletzten zahlreiche weitere, welche im "Bindunuwewa Rehablitations-Camp" interniert waren. Sie töteten tamilische Jugendliche, die sich dort in Kriegsgefangenschaft befanden. Und das in einem ‚sozialen Vorzeigeprojekt‘ der Regierung.

Schon Tage zuvor waren Plakate aufgetaucht, die auf das, was an diesem Mittwoch, dem 25. Oktober folgen sollte, hindeuteten. Auch ein zuständiger und wenigstens geographisch im Weg stehender Polizeiposten war kein Hindernis.

Die tamilische Bevölkerung reagierte landesweit mit schwarzen Fahnen und Tüchern sowie der Schließung ihrer Geschäfte.

Angrenzend, in der Central Province gelegen, in der Gegend um die durch die britische Kolonialzeit geprägten Tee-Stadt Nuwara Eliya, in Talawakele, kam es am folgenden Wochenende zu heftigen Unruhen.
Dabei starb ein Mensch und der örtliche Bahnhof ging in Flammen auf.

Die Polizei nahm darauf den Präsidenten der Hochland-Volksfront zum Verhör in Gewahrsam. Seine Upcountry People’s Front (UPF) erklärte später, sie hätte die Kontrolle über den Hergang in Talawakele verloren.

Als Hochlandvolk bezeichnen sich Teile der sogenannten indian tamils. Ihre Vorfahren waren von den britischen Kolonialherren als Kontraktarbeiter für die Plantagenarbeit verpflichtet. Anders als die sogenannten ceylon-tamils erhielten sie nach der Unabhängigkeit 1948 nicht die Staatsbürgerschaft und mußten hierauf bis zum Ende der 80er Jahre warten.

Ihr Führer Chandrasekeran ist ein MP, ein Member of Parliament. Das Parlamentsmandat verdankte er allerdings nicht seiner eigenen Partei, sondern der größten Oppositionspartei, der UNP.

Die Vereinigte Nationalpartei (UNP) hatte von 1977 bis 1994 die Regierung gestellt.
Dann wurde sie von der linken Volksallianz, der People’s Alliance (PA) abgelöst, die gerade erst zwei Wochen vorher, am 10. Oktober, ihr Mandat durch Wahlen verlängert bekommen hatte.

Anders allerdings als in den Jahren, aus denen Anils Leiche stammt, reagierte die Regierung sofort. Verantwortlichen Polizisten wurden entlassen und sind weiterer Gegenstand der eingeleiteten Untersuchung.
Die Armee wurde angewiesen, weitere Ausschreitungen sofort zu unterbinden und durch ihr Verhalten nicht eine der Bevölkerungsgruppen zu provozieren.

Der Konflikt mit der tamilischen Guerilla hatte sich im ‚Schwarzen Juli‘ 1983 zu einem offenen Krieg entwickelt.
Damals starben bei einem Attentat der sogenannten Tamil Tiger in Jaffna 13 Regierungssoldaten. Die regierende UNP ließ die Leichen zur öffentlichen Beschauung in die Hauptstadt Colombo bringen.
Kurz darauf zog ein marodierender Mob, ausgerüstet mit Einwohnerkarteien durch die Straßen und begann eine gnadenlose Jagd auf Tamilen, zerstörte deren Wohnhäuser und Geschäfte.
Unter den Augen der weitgehend untätigen Sicherheitskräfte breiteten sich die Pogrome auf das ganze Land aus und ließen wenig mehr als den gegenseitigen Haß zurück.

In den folgenden Jahren weitete sich der Krieg immer weiter aus und erfaßte den Norden und Osten der Insel. Unter den tamilischen Organisationen, die damals noch alle Tamil Tiger hießen, setzten sich die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gewaltsam gegen die anderen Gruppen durch und wurden zu der eigentlichen Kriegspartei gegen die Regierung.

1987 dann kamen die indischen Truppen der IPKF (Indian Peacekeeping Forces), um einen Waffenstillstand zwischen der LTTE und der Regierung zu überwachen.
Wirklich glücklich wurde niemand mit diesen Truppen. Die LTTE wollte sich nicht entwaffnen lassen. Die Regierung wiederum war gezwungen, fremde Truppen im Land zu akzeptieren und auch, daß diese den geostrategisch wichtigsten Ort der Insel, den zweitgrößten natürlichen Tiefseehafen der Welt, in Trincomalee besetzten.

Singhalesische Nationalisten und Anti-Imperialisten begannen gleichermaßen den Rauswurf der Inder zu fordern.
Am deutlichsten tat dies die Volksbefreiungsfront
Janatha Vimukthi Peramuna (JVP). Die linksradikale Bewegungspartei forderte den Sturz der amtierenden neoliberalen Regierung, ebenso wie den Rückzug der ‚imperialistischen‘ indischen Truppen.

Die besonders im Süden der Insel starke JVP hatte einen bewaffneten Flügel, zwischen dem und der Regierung kam es in einem bedingten Massenaufstand zum militärischen Showdown. Die Zahl der Toten, erschossen, mal in den Bäumen gevierteilt, gefoltert und als zertrümmerte Leichen die Flüsse herabgespült oder von den Wogen des Meeres an den Strand geworfen und manchmal auch einfach so gefunden - oder nie, wird auf bis zu 60.000 Menschen geschätzt.

Die IPKF hielten damals der Regierung den Rücken frei. Sie konnte den Aufstand niederschlagen.

Einer ihrer einstigen Helfer ist Douglas Peiris. Ihm wird vorgeworfen, damals ein Folterzentrum in Batalanda unterhalten zu haben und in die Aktivitäten von Todesschwadronen verwickelt gewesen zu sein.
Nach dem Regierungswechsel gelang ihm, mit Hilfe alter Freunde, die Flucht außer Landes. Wohl in Fehleinschätzung der heimatlichen Situation traute er sich dieses Jahr wieder zurück und wurde prompt auf dem Flughafen Katunayake festgenommen. Seine Aussagen führten zu mehreren Verhaftungen und zwangen mehrere hochrangige Mitglieder der UNP und. des (ehemaligen) Regierungsapparates zur Flucht bzw. zum zeitweiligen Abtauchen. Auch der jetzige Oppositionsführer und ehemalige Premierminister, Wickremesinghe, wurde schwer belastet. Er soll Anweisung gegeben haben, ein Todeskommando gewähren zu lassen.

Nach der Niederschlagung des JVP-Aufstands forderte die Regierung unter Präsident Premadasa die Inder ultimativ auf, die Insel zu verlassen. Die IPKF zogen dann 1990 endgültig aus Sri Lanka ab. Tamilische Nationalisten dankten die Tat und ermordeten 1991 bei einem Attentat im südindischen Tamil Nadu, den ehemalige Premierminister Indiens, Rajiv Gandhi.

Das Bindunuwewa-Rehabilitationscamp entstand 1990. Dort wurden zunächst jugendliche Singhalesen, Anhänger der JVP interniert. Erst später zogen die tamilischen Gefangenen, überwiegend Deserteure von der LTTE, ein. Ihre Ermordung war ein schwerer Schlag für alle Friedensbemühungen. Mit Bandarawela drohten die Geister der Vergangenheit. Die Tat war bestens geeignet, den Konflikt wieder zu verschärfen und alte Fronten erneut herzustellen.

Schon im Sommer war eine geplante Verfassungsänderung am Widerstand singhalesischer Nationalisten gescheitert. Die Regierung wollte mit der sogenannten Devolution mehr politische und Verwaltungsrechte an die Regionen vergeben. Dieser kleinen Autonomie sperrten sich die chauvinistischen Kräfte der Sinhala-Buddhisten. Nationalisten und Teile des buddhistischen Klerus bekämpften das Vorhaben erbittert. Für sie kam es einem ersten Schritt zur Teilung ihres heiligen Landes gleich. Für sie ist Sri Lanka die heilige Insel des Buddhismus, in einer 2500-jährigen Geschichte von Singhalesen beherrscht - wenn sie dabei nicht gerade von tamilischen Herrschern unterbrochen wurden.

Den tamilischen Vertretern im Parlament ging der Vorschlag für die Verfassung hingegen nicht weit genug.

Den Fortgang des Krieges störte dies indes nicht sonderlich.

Allenfalls vor den Wahlen.
Da begann die Armee noch eine Offensive auf der weitgehend tamilisch bewohnten Halbinsel Jaffna im Norden der Insel. Die dabei erzielten Geländegewinne waren ausgesprochen kostspielig. Sowohl die LTTE als auch die Regierungstruppen erlitten schwere Verluste. Zu den durch die Luftwaffe getroffenen Zielen gehören dabei die weltüblichen Kolateralschäden an der überwiegend tamilischen Zivilbevölkerung.

Der Westen nimmt die regelmäßigen Bombenattentate im Hintergrund der Nachrichtensendungen war. Bombenattentate begleiteten auch den Wahlkampf. Auf Wahlveranstaltungen der regierenden Volksallianz starben allein durch Bombenattentate 41 Menschen. Als verantwortlich hierfür gilt die LTTE.
Zufällig nahm der Westen, durch das Ableben von
Sirimavo Bandaranaike, die kurz nach Abgabe ihrer Stimme starb, von den Parlamentswahlen auf Sri Lanka Kenntnis und erfuhr schließlich, einige Wochen später von Myilvaganam Nimalrajan.

Das der tamilische Journalist überhaupt eine Nachricht wert war, verdankte er dem Umstand, daß er der Reporter der BBC in Jaffna war. Vor ihm starben in den letzten 20 Jahren 31 seiner Kollegen auf ähnliche Weise.

Nimalrajan hatte über Unregelmäßigkeiten bei den Parlamentswahlen auf Jaffna berichtet.
Nachts kamen Unbekannte zu seinem Haus in der Sicherheitszone.
Sie zündeten eine Granate, verletzten mehrere Angehörige schwer und erschossen den Reporter.

Beschuldigt wird vor allem die mit der Regierung verbündete Eelam People’s Democratic Party (EPDP), eine tamilische Partei. Zu den Anklägern gehört wiederum die ebenfalls tamilische Tamil Unitet Liberation Front (TULF). Die EPDP hingegen beteuert ihre Unschuld.

Hinein scheint nun ein neuer Hoffnungsschimmer. Rebellenführer Prabhakaran empfing im Wanni, im Norden der Insel, den norwegischen Sondergesandten, der zwischen beiden Seiten vermitteln soll.

Die LTTE erklärt sich zu Friedensgesprächen ohne Vorbedingungen bereit.

 


Hamburg, den 07.11.2000

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